Fünf Aussagen zur aktuellen Corona-Krise


Im Folgenden wird die Corona-Krise aus rein wirtschaftlicher Blickrichtung betrachtet. Zum Geschehen bis jetzt haben wir fünf Aussagen zusammengetragen.

1)      Status: Die Lage ist schwer überschaubar und der Finanzmarkt ist stark unter Druck.

Es lässt sich bereits zum aktuellen Zeitpunkt feststellen, dass der Coronavirus die schlimmste Pandemie der letzten 100 Jahre ist. Die letzte, große Pandemie gab es 1918 mit der sogenannten Spanischen Grippe. Die Situation damals und heute lässt sich aber nur schwer vergleichen. Daher gibt es für die aktuelle Lage auch keine Patentrezepte, die sowohl medizinisch als auch wirtschaftlich als optimale Lösungen für unsere global stark vernetzte Gesellschaft gesehen werden können. Die Effektivität der einzelnen Maßnahmen kann erst ex-post analysiert und bewertet werden. Diese große Unsicherheit spiegelt auch der Finanzmarkt wieder. Täglich neue Meldungen über das Wachstum der Anzahl der Infizierten und weitere Beschränkungen des öffentlichen Lebens verschlechtern auf der einen Seite die zukünftigen, wirtschaftlichen Aussichten der Marktteilnehmer. Andererseits nehmen aber die drastischen Maßnahmen der Regierungen und Notenbanken zur Unterstützung der Konjunktur im Umfang und in der Höhe historische Dimensionen an, von denen die Marktteilnehmer wieder ermutigt werden, mittelfristig an einen Aufschwung zu glauben. Als Resultat ergibt sich eine Situation, die den Aktienmarkt in eine extreme Volatilität versetzt, geprägt von kurzfristigen Spekulanten und Algorithmen-Trader. Inwieweit sich auch langfristige Investoren, die an Unternehmensgewinnen statt kurzfristigen Kursdifferenzen partizipieren wollen, bereits wieder positioniert haben, ist in der momentanen Lage schwer zu sagen.

2)      Gelddruckmaschine auf Volllast: Notenbanken und Regierungen drehen den Hahn auf.

Die Regierungen und Notenbanken, insbesondere in Europa und den USA, fürchten sich vor einem Systemcrash, der in seinen Auswirkungen weit verheerender als die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 wäre. Daher werden sämtliche Schuldengrenzen der Staaten ausgesetzt und weltweit Hilfsprogramme im Volumen von (umgerechnet) mehreren Billionen $ verabschiedet. In den USA bekommt sogar (fast) jeder Bürger einfach Geld vom Staat geschenkt. Die Notenbanken finanzieren die Maßnahmen und kaufen zudem noch weitere Schuldpapiere im Unternehmensbereich (sog. „Commercial Papers“) auf. Desweiteren wird auch der Finanz- und Bankensektor quasi mit zusätzlicher, direkter Liquidität in Form von Kreditprogrammen geflutet. Die Sofortmaßnahmen sind vielleicht kurzfristig hilfreich, um den Finanzmarkt zu beruhigen und einen Crash zu verhindern. Mittel- und langfristig führt aber eine Planwirtschaft, die von der Notenbank finanziert wird, zu schwerwiegenden Vertrauensproblemen bzgl. der Werthaltigkeit der heimischen Währung. Darüber sollten sich die Politiker Gedanken machen, sobald sich die Lage wieder etwas beruhigt hat. 

3)      Aus China, erste Erfahrungswerte unter Vorbehalt: Realwirtschaft flop, Aktienkurse top.

In China ist die Corona-Krise schon weiter fortgeschritten, daher lohnt sich ein Blick auf die aktuelle Situation. Die wirtschaftlichen Daten für den Februar sind grauenhaft und belegen quasi einen kompletten Konjunkturstillstand. Im März jedoch erholt sich die Wirtschaft langsam wieder etwas. Die Leute trauen sich in vielen Landesteilen wieder in Restaurants und Cafés und streben einer Normalisierung ihres Alltags entgegen. Der Aktienmarkt hat interessanterweise die Krise innerhalb des Landes schnell abgehakt. Erst als die Situation in Europa außer Kontrolle geriet, verlor der Shanghai Composite wieder ein paar Prozentpunkte. Im Vergleich zu den europäischen und amerikanischen Indizes ist er aber weiterhin ein Top-Performer in der aktuellen Krisenzeit. Die Unsicherheit zu den aktuell offiziellen Infektionszahlen bleibt aber bestehen. Die Aussage, dass sich in einem 1,3 Milliarden-Einwohnerland so gut wie kein Bürger im Inland infiziert hat (offiziell momentan fast nur „importierte“ Fälle) ist äußerst unwahrscheinlich.  

4)      Nicht nur Corona ist ein Risiko: Es brodeln mehr strukturelle Probleme in der Euro-Zone.

Die EZB hat in den letzten Jahren alles dafür getan, die strukturellen Probleme der Eurozone durch eine extrem expansive Geldpolitik nach hinten zu schieben, damit die einzelnen Euro-Staaten genügend Zeit haben, Reformen im eigenen Land durchzubringen und wieder international wettbewerbsfähig zu sein. Jetzt heißt es: Time is running out. Egal ob Bankenkrise, Verschuldung einzelner Euro-Staaten oder Target2-Salden, die Probleme werden spätestens im nächsten Jahr auch in den Medien wieder in den Fokus rücken. Insbesondere das Sorgenkind Italien birgt großen finanz- und geldpolitischen Sprengstoff.

5)      Flucht in „Sicherere Häfen“: Fehlanzeige. Wer es kann: Abwarten und Tee trinken.

Zum (vorläufigen) Höhepunkt der Verunsicherung an den Märkten ist ein Phänomen in Erscheinung getreten, das es selten so zu sehen gibt und auch nur von kurzfristiger Natur ist: Deleveraging. In den letzten Jahren wurde massiv in die Aktienmärkte investiert – nicht nur mit Eigenkapital, sondern auch mit immer mehr Fremdkapital. Durch das Niedrigzinsniveau der Notenbanken haben sich viele Marktteilnehmer gedacht, sie könnten mit kreditfinanzierten Aktienkäufen ihre Eigenkapitalrenditen „hebeln“ (Leverage-Effekt). Plötzlich fallen die Aktienmärkte so stark, dass der Aktienverlust größer als das eingesetzte Eigenkapital ist. Um genügend Liquidität für die Rückzahlung des aufgenommenen Kredits zu bekommen, werden daher andere Assets wie Anleihen oder Edelmetalle panisch verkauft, was wiederum zu fallenden Preisen dieser Assets führt und anderen Marktteilnehmern Verluste beschert. Der Vorgang ist eine Art kurzfristige „Bereinigung“ des Marktes, ehe die riesigen Liquiditäts-Schwemme der Notenbanken die Märkte wieder pushen. Solange die Notenbanken und die Regierungen mit immer mehr frischem und billigem Geld die Unternehmen subventionieren und bei den Marktteilnehmern für einen Anlagenotstand sorgen, sehen die mittelfristigen Aussichten für den Aktienmarkt gut aus.

Langfristig können solche planwirtschaftlichen Systeme zu großen Verwerfungen am Devisenmarkt führen, da die Staaten bei einem Vertrauensverlust und einer Kapitalflucht der Marktteilnehmer die sehr hohen Geldmengen im System nicht mehr kontrollieren können. Der Währungsverfall führt dann zu hoher Inflation, die mit extremen Zinsanhebungen seitens der Notenbank bekämpft werden muss. Für die Finanzmacht USA, die mit dem US-Dollar die weltweite Leit- und Reservewährung stellt, momentan noch schwer vorstellbar… wie gesagt: momentan noch.

 

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